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Lehrerausbildung erhält mehr Praxis und starke Stellung an den Universitäten

in Lehrerzimmer 17.02.2004 15:09
von Joez | 351 Beiträge

Pressemeldung vom 17.02.2004

Aktuelle Pressemitteilung des Hessischen Kultusministeriums


Wolff und Corts stellen "3. Gesetz zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen" vor
Mehr Selbstständigkeit für Schulen/ Rahmen für Schulzeitverkürzung abgesteckt

Hessen legt ein bundesweit einmaliges Gesetz zur Lehrerbildung vor. "Die Lehrerausbildung an den Universitäten ist bald nicht mehr nur Anhängsel der Fachwissenschaft. Die Lehrer werden künftig früher und umfassender auf ihren Beruf vorbereitet. Der Grundsatz heißt: Lehrerbildung aus einem Guss mit mehr Schulbezug im Studium und besserer schulischer Praxis", erklärte Kultusministerin Karin Wolff. Gemeinsam mit Wissenschaftsminister Udo Corts stellte sie heute den Entwurf des "Dritten Gesetzes zur Qualitätssicherung in hessischen Schulen" vor. Das Artikelgesetz beinhaltet die umfassende Neuordnung der Lehrerbildung (Artikel 1) sowie Änderungen des Hessischen Schulgesetzes (Art. 2) und des Hochschulgesetzes (Art. 3).

"Mit dem Ersten und Zweiten Gesetz zur Sicherung der Qualität in hessischen Schulen haben wir eine erfolgreiche Entwicklung eingeleitet, die die Leistungsfähigkeit der Schulen gesteigert hat und den Resultaten internationaler Vergleichsuntersuchungen gerecht wird", sagte Wolff. Diesen Prozess setze der vorliegende Gesetzentwurf fort. "Entscheidend für die erfolgreiche Arbeit der Schule ist zuallererst die Qualität des Unterrichts. Deshalb setzen wir auf eine Lehrerausbildung, die sich stärker denn je an den Bedürfnissen der Schule orientiert", so Wolff.

Artikel 1: Hessisches Lehrerbildungsgesetz

"Mit dem Hessischen Lehrerbildungsgesetz und der Änderung des Hessischen Hochschulgesetz wird erstmals ein Verbundsystem von Lehrerbildungsaktivitäten rechtlich verankert", sagte Corts. Leitidee der Reform sei die lebens- und berufsbegleitende Lehrerbildung. Das Gesetz gewährleiste die inhaltliche und organisatorische Vernetzung aller Phasen der Lehrerbildung, umfasse die gesamte Berufstätigkeit der Lehrkräfte und trage der Qualitätsdebatte im Schulwesen durch Orientierung an verbindlichen Standards Rechnung. Die Lehrerausbildung wird damit praxisnäher und frühzeitiger auf den Beruf ausgerichtet sein.

"Lehramtsstudenten müssen von Anfang an in die Schule. Dort werden sie schnell feststellen, ob das der richtige Beruf für sie ist", sagte Wolff. Die Ausbildung umfasst ein 4-wöchiges Orientierungspraktikum im oder vor dem ersten Semester, ein 8-wöchiges Betriebspraktikum, das ausdrücklich nicht an einer Schule abgeleistet werden kann, sowie zwei jeweils 6-wöchige schulpraktische Studien.

"Wir wollen mehr Unterrichtsqualität in den Schulen. Basis dafür sind unsere Lehrer und ihre Ausbildung", sagte Wolff. Qualifikationsansprüche müssten sowohl die Ausbildung als auch die Fortbildung der Lehrerinnen und Lehrer erfüllen. "Die Studieninhalte unterliegen heute einer relativen Beliebigkeit. Das stellen wir ab und geben einen verbindlichen Rahmen vor", sagte die Ministerin und ergänzte: "Der Staat legt klar fest, was im Studium und in der Fortbildung zu bewältigen ist. Es reicht nicht, im Studium einfach Scheine aufzuhäufen und sich damit irgendwann zur Prüfung anzumelden."

Das Studium erhält eine modulare Struktur, in der Elemente der Fachwissenschaft kombiniert werden mit Didaktik und Erziehungswissenschaft. "Es geht darum, die Studieninhalte in einen thematischen Zusammenhang zu stellen und die Kompetenzen zu vernetzen", so Wolff. Berufsorientierung und fachliches Denken würden kombiniert, Didaktik und Diagnosefähigkeit gestärkt. Die einzelnen Module werden bewertet und auf das Staatsexamen angerechnet.

Folgerichtig erhalten die Zentren für Lehrerbildung an den Universitäten mehr Einfluss auf das Lehramtsstudium. "Die zwischen Hochschule und Wissenschaftsministerium zu schließenden Zielvereinbarungen weisen in Zukunft gesondert die Leistungsverpflichtungen der Universitäten in der Lehrerbildung aus. Sie schaffen Transparenz in der Mittelvergabe und eine verlässliche Finanzierungsbasis für die Lehrerbildung. Zugleich bilden sie aber auch eine gute Grundlage für die dringend notwendigen Reformen", verwies Corts auf die entsprechende Gesetzesänderung (Artikel 3: Gesetz zur Änderung des Hochschulgesetzes).

Auch die 2. Phase der Lehrerbildung wird modularisiert und an Standards ausgerichtet. Dies schafft für die Lehrkräfte im Vorbereitungsdienst und die Ausbilder mehr Transparenz, welche Kompetenzen erwartet und welche Leistungen erbracht werden müssen. In der Fort- und Weiterbildung wird die Position des Schulleiters gestärkt. "Im Sinne einer systematischen Personalentwicklung wird der Schulleiter seine Lehrer zur Fortbildung verpflichten können", so Wolff. Lehrkräfte legen künftig ein Portfolio an, mit dem sie ihre Fortbildungsaktivitäten dokumentieren. Ferner stellt eine systematische Qualifikation sicher, dass das Leitungspersonal an Schulen schon vor der Amtseinführung auf die späteren Aufgaben vorbereitet wird. Das Amt für Lehrerbildung wird in der Folge die Fort- und Weiterbildungsangebote der Universitäten und freien Träger auf die Qualität der Schule ausrichten und bündeln.

Artikel 2: Gesetz zur Änderung des Hessisches Schulgesetzes

Das neue Schulgesetz verdichtet den gymnasialen Bildungsgang und schafft die rechtliche Grundlage für die Schulzeitverkürzung, die es auf gesicherter qualitativer Grundlage ermöglicht, das Abitur am Gymnasium nach zwölf Schuljahren abzulegen. Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit in Hessen beginnt mit der fünften Klasse ab dem Schuljahr 2005/06 in zwei Etappen. Ein Teil der Schulen wird 2005 umstellen, ein anderer Teil 2006. "Die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit wird ohne Qualitätsverlust umgesetzt. Durch Aufstockung der Unterrichtsstunden in der Grundschule und der Sekundarstufe I bleibt die Anzahl der Unterrichtsstunden bis zum Abitur vergleichbar", so Wolff. Auch die Anschlussfähigkeit bleibt gewährleistet: Befähigte Schüler von Realschulen und Gesamtschulen mit guten Leistungen können auch in Zukunft in die dreijährige gymnasiale Oberstufe wechseln. Um das Qualitätsniveau des Abiturs weiter zu entwickeln und für mehr Vergleichbarkeit zu sorgen, schafft das neue Schulgesetz auch die Grundlage zur E

inführung des Landesabiturs ab dem Schuljahr 2005/06.

"Wir wollen eine an Zielen orientierte, selbsttätige und eigenverantwortliche Schule", sagte Wolff. Dieser Vorgabe folgt u.a. eine umfassende Experimentierklausel, die es Schulen ermöglicht, mehr Selbstständigkeit zu erproben. "Schulen erhalten die Befugnis, über Personal, Geld und Unterrichtsorganisation selbst zu entscheiden. Und sie stehen stärker in der Pflicht, die Qualität ihrer pädagogischen Arbeit auch selbst zu verantworten", erläuterte Wolff. Als ersten sichtbaren Schritt nannte sie das Modellprojekt "Selbstverantwortung plus" zur Stärkung der Selbstverantwortung von beruflichen Schulen.

In einem neuen Institut für Qualitätsentwicklung werden Maßnahmen zur Ergebnissicherung, wie landeseinheitliche Abschlussprüfungen und Vergleichsarbeiten, systematisch zusammengeführt. Ferner macht das Gesetz neue Vorgaben für die Aufstellung von Schulentwicklungsplänen mit dem Ziel, das Schulangebot schneller an veränderte Rahmenbedingungen anpassen zu können.

Der Praxisbezug der Hauptschule wird mit dem neuen Gesetz gestärkt. Nach den positiven Erfahrungen mit Schulversuchen werden Praxis- bzw. Berufsfindungsklassen ab 2005 als reguläres Angebot eingeführt. In Zusammenarbeit mit Berufsschulen und Betrieben erhält die Ausbildung einen erhöhten Praxisbezug für Schülerinnen und Schüler, deren Abschluss gefährdet ist. Neben den schwächeren Hauptschülern nimmt das neue Gesetz auch die stärkeren Hauptschüler in den Blick: "Das 10. Hauptschuljahr wird wieder zu einer Einrichtung für motivierte und leistungsstarke Schülerinnen und Schüler, die in der Lage sind, über das 10. Hauptschuljahr den vollwertigen Mittleren Abschluss zu erwerben", sagte Wolff.

Weiterhin werden in dem Gesetz die Strukturvorgaben für Betreuungs- und Ganztagsangebote neu formuliert und damit die Grundlagen für die neue Ganztagsrichtlinie geschaffen: Künftig gibt es neben der betreuenden Grundschule, der pädagogischen Mittagsbetreuung, der offenen Ganztagsschule mit freiwilliger Teilnahme auch die gebundene Ganztagsschule mit verpflichtender Teilnahme. "Die gebundene Ganztagsschule steht dann wieder allen Schulen der Grundstufe und der Mittelstufe sowie den Förderschulen offen", erläuterte die Ministerin.

Im Interesse einer besseren und pädagogisch effektiveren Gestaltung der individuellen Schülerlaufbahn erweitert das Gesetz die Möglichkeit einer Querversetzung in einen anderen Bildungsgang von derzeit Jahrgangsstufe 5 auf die Jahrgangsstufen 6 bis 8. "Bevor ein Schüler im gewählten Bildungsgang scheitert und seine Nichtversetzung unausweichlich ist, wird er querversetzt und erspart sich so die ,Ehrenrunde'", so Wolff. Ferner werden Empfehlungen der Grundschule für den weiteren Bildungsweg künftig auch beim Übergang in die Förderstufe und die integrierte Gesamtschule möglich.

Das neue Schulgesetz stärkt zudem den erzieherischen Zusammenhalt von Schule und Elternhaus: Erziehungsvereinbarungen erhalten nunmehr eine eigenständige Rechtsstellung im Schulgesetz. Danach können Elternschaft und Schule Vereinbarungen über gemeinsame Erziehungsziele abschließen. "Es geht um eine bessere Kooperation der Beteiligten, die sich ausschließlich am Kindeswohl zu orientieren hat", so Wolff. Auch das Recht auf Information der - in der Regel noch unterhaltspflichtigen - Eltern in die Volljährigkeit der Schülerinnen und Schüler hinein wird erweitert. "Das Informationsrecht wird allerdings auf Entscheidungen und Maßnahmen der Schule beschränkt sein, die sich auf die schulische Laufbahn beziehen", erklärte Wolff. Dies stehe unter dem Vorbehalt, dass der Schüler widersprechen kann.


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#2

RE:Lehrerausbildung erhält mehr Praxis und starke Stellung an den Universitäten

in Lehrerzimmer 24.02.2004 22:15
von PRINZ
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Wie gut, dass die Studis früher und mehr in den Schulalltag reinschnuppern!


zuletzt bearbeitet 26.02.2004 17:26 | nach oben springen


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